Donnerstag, 10. September 2009

Ein ruhiges Gewissen

Reflexionen des Genossen Fidel: Ein ruhiges Gewissen

Mir wäre es lieber, wenn ich nicht eines jener Unternehmen hart kritisieren müsste, die sich der Herstellung von medizinischen Ausrüstungen widmen und deren Gewinne nicht aus der Fabrikation von zum Töten benutzten Waffen kommen, sondern die Krankheiten und Leiden bekämpfen und Todesfälle verhindern. Deshalb habe ich sie immer alle mit Hochachtung behandelt und mir gefiel es, einen Austausch mit ihnen über ihre wissenschaftlichen Fortschritte zu führen.

Etwas anderes ist es, wenn man mit Bitterkeit an solche Länder denkt, denen nicht dieserart Geräte zur Verfügung stehen, und noch trauriger ist es, dass ein Volk der Dritten Welt seine Bemühungen durch die stupide Maßnahme behindert sieht, welche ein reiches und mächtiges Land denen aufzwingt, die sie herstellen: die Einstellung der Ersatzteillieferungen für ihre Instandhaltung.

In Venezuela und Kuba insgesamt gesehen verfügen die kubanischen Fachärzte für Kardiologie über 28 Echokardiographie-Geräte Marke Philips, ohne welche eine genaue und vollkommen sichere Diagnose nicht möglich ist. Bei Ausfall von jedem dieser Geräte können pro Monat 500 Patienten diese lebenswichtigen Dienste nicht erhalten.

In unserem Vaterland stellen die Herzkrankheiten die erste Todesursache dar; in Venezuela trifft ungefähr dasselbe zu. Die Defibrillatoren sind die Geräte schlechthin, um die Personen bei Herzstillstand zu retten, der ihnen den Tod verursacht, wenn sie nicht schnellstens medizinisch versorgt werden. Von den 3553 bei Philips erworbenen Geräten, waren 2000 von diesem Typ, der in den Polikliniken von Kuba und in den venezolanischen Diagnosezentren von Barrio Adentro verwendet wird.

Die 12 verschiedenen Geräte Marke Philips, die für insgesamt 72,762 694 Millionen Dollar erworben wurden, waren alle unentbehrlich für die erstklassige medizinische Versorgung in Kuba und innerhalb der Programme Barrio Adentro 1 und 2 von Venezuela, bei denen die Behandlung bzw. Betreuung durch kubanische Ärzte und Fachleute erfolgt. Wie vereinbart wurden diese durch unser Land erworben und bezahlt.

Die Geräte Marke Siemens waren in Kuba und in den zwei venezolanischen Programmen im Dienst, ausgenommen ein paar, die nach Bolivien geschickt wurden. Der Gesamtwert der bei dieser Firma erworbenen betrug 85,430 Millionen Dollar. Außer den beiden genannten Unternehmen haben andere aus Europa und Japan wichtige zusätzliche Geräte für die 27 Hightech-Diagnosezentren von Barrio Adentro 2 geliefert.

Philips stellt die gebotenen Angaben nicht infrage. Die vollkommene Einstellung der Ersatzteillieferungen erfolgte seit Ende 2006; seitdem sind knapp drei Jahre vergangen.

Die Firma bekennt, dass die Forderungen der US-Regierung zur Unterbrechung der Lieferungen geführt haben, bis sie kürzlich die Geldstrafe von 100000 Euro gezahlt hat, was einen lächerlich kleinen Betrag im Vergleich zu den an die Firma für die Geräte bezahlten 72 Millionen darstellt. Unserer Kenntnis nach gab es keinerlei Verletzung der vom Imperium der Welt aufgezwungenen Regeln. Es handelt sich um medizinische Geräte zur Rettung von Menschenleben; es sind keine Kriegswaffen.

Im Januar 2007 ernannte die Bush-Regierung John Negroponte – Peiniger des Volks von Nicaragua während der schmutzigen Machenschaften gegen jenes Land, die 1981 ausgehend von dem US-Stützpunkt Palmerola in Honduras begonnen wurden – zum Unterstaatssekretär. Er konnte auf eine düstere Vorgeschichte während der Aggressionskriege in Vietnam und Irak verweisen. Er war Direktor der mächtigen Central Intelligence Agency. Er begleitete den US-Präsidenten auf der Konferenz des Weißen Hauses Mitte des Jahres 2007, wo soviel über Bildung und Gesundheit gesprochen wurde. Beiden war bewusst, dass unsere Fachleute mit Unterstützung der Philips-Geräte in Kuba und Venezuela medizinische Dienste leisteten. Sie hatten die holländische Firma unter Druck gesetzt und es gelang ihnen zu verhindern, dass diese Teile für jene Geräte lieferte.

Die sozialen Programme in Venezuela entstanden im Ergebnis der Bolivarianischen Revolution. Ich brauche die historisch engen Beziehungen zwischen beiden Völkern und die uns verbindenden brüderlichen Bande nicht zu lobpreisen.

Ich habe schon die von Präsident Hugo Chávez getroffene Entscheidung erläutert, die zu unseren Kooperationsprogrammen geführt hat. Von ihm stammt ebenfalls die Anfang 2007 geäußerte Idee, zu den schon bestehenden Barrio Adentro 1 und Barrio Adentro 2 das Programm Barrio Adentro 3 hinzuzufügen. Bei dem neuen Programm ist vorgesehen, dass der Aufwand für die Geräte von Venezuela getragen und die Behandlung von venezolanischen Ärzten übernommen wird.

Da ihm unsere Erfahrung bei den Verhandlungen mit den Herstellerfirmen von medizinischen Gerätschaften und die aufgrund der Größenordnung der Operationen erreichten ausgezeichneten Lieferpreise bekannt waren, forderte Chávez unser Land auf, medizinische Geräte, Instrumente und Inputs über einige hundert Millionen Dollar zu erwerben. Es war vorgesehen, durch diese Investition in einer bedeutenden Anzahl von Krankenhäusern jene Dienste einzurichten, die dem venezolanischen Volk in Barrio Adentro 1 und 2 geboten werden. Das war zusätzlich zum in Kuba durchgeführten Ausbildungsprogramm für tausende junge Venezolaner als solche Ärzte, die in der Lage sind, ihre Dienste an jedem Ort zu leisten, und zwar innerhalb und außerhalb des Landes. Die Abgänger der Lateinamerikanischen Medizinschule sind ein ermutigender Beweis für ihren Opfergeist. In Venezuela selbst leisteten wir unseren Beitrag zur Ausbildung von über 20.000 Medizinstudenten.

Unser Personal nahm erneut Kontakt zu den besten Lieferanten von medizinischen Geräten, Bestandteilen und Mobiliar auf, ausgenommen - logischerweise - die US-amerikanischen, denen die geringste Lieferung an Kuba vollkommen verboten ist.

Obwohl die medizinischen Geräte jenes Landes Qualität besitzen, sind deren Preise oft sehr überhöht. Auf dem Weltmarkt gibt es fachlich spezialisierte Firmen, deren Geräte als die besten der Welt angesehen werden. Es ist absolut möglich, auf die Geräte der Vereinigten Staaten zu verzichten, wenn man die Risiken einer kriminellen Blockade wie der während 50 Jahren gegen Kuba angewandten vermeiden will. In den Krankenhäusern von Japan, einem Land, dessen Bevölkerung die höchsten Lebenserwartungen erreicht, sind die meisten Geräte japanische; den Rest importieren sie aus Europa bzw. den Vereinigten Staaten.

In den industriell am höchsten entwickelten Ländern des alten Europa, wo die Lebenserwartungen ebenfalls höher als in den Vereinigten Staaten sind, kommen knapp 30 Prozent der Geräte aus Japan bzw. den Vereinigten Staaten. Sie nutzen vorwiegend europäische Geräte. Sowohl in Japan als auch in Europa sind die Qualitätsnormen viel anspruchsvoller als in den Vereinigten Staaten.

Es ist mir eine Genugtuung, beobachten zu können, dass die von dem kubanischen Fachunternehmen befolgte Leitlinie beim Kauf von medizinischen Geräten sich streng den bei den vorangegangenen Käufen bewährten Grundsätzen angepasst hat.

Es haben über 50 bekannte Firmen teilgenommen. Ich werde nur die aufführen, die in Qualität und Preis konkurrieren konnten. Das größte vereinbarte Liefervolumen entsprach der deutschen Firma Siemens, insgesamt 73,910 Millionen Dollar; Drager: 37,277 Millionen Dollar; Toshiba: 36,123 Millionen Dollar; Nihon Kohden: 30,516 Millionen Dollar. Ebenfalls mit den Firmen Olympus, Karl Storz, Aloka, Carl Zeiss, Pressure und anderen, unseren Fachleuten gut bekannten, wurden Verträge abgeschlossen. Sie alle widerspiegeln den revolutionären Fortschritt der Technologie für den medizinischen Bereich in den letzten 20 Jahren.

Auf der Grundlage der Qualitätsnormen und Preise hätte dem holländischen Unternehmen Philips, das bei den wichtigsten Firmen berücksichtigt worden war, eine Lieferung von Geräten im Wert von insgesamt 63,065 Millionen Dollar entsprochen. Aber diese Etappe fiel mit der Einstellung der Ersatzteillieferungen für die in Kuba und Venezuela installierten Geräte jenes Unternehmens zusammen; so blieb keine andere Alternative als die, die Ausarbeitung des Vertrages einzustellen.

Nicht alle der insgesamt vertraglich gebundenen Geräte sind in Venezuela erhalten worden, aber eine solche Anzahl von Geräten, Instrumenten und Bestandteilen, deren Gesamtwert 271 Millionen Dollar beträgt. Das bedeutete besondere Anstrengungen seitens der Venezolaner und Kubaner, um das wichtige Programm Barrio Adentro 3 voll zu entfalten, das eines der wichtigsten und humansten sozialen Programme der Bolivarianischen Revolution vervollständigt und untereinander verbindet. In beiden Ländern sind wir uns dieser Verpflichtung bewusst.

Andererseits haben wir uns vorgenommen, die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um Barrio Adentro 1 und 2 auf nie zuvor erreichte Niveaus zu bringen, indem von den in Kuba ausgebildeten Medizinstudenten über 2500 der letzten Studienjahre mit einbegriffen werden, damit sie an der Seite der Fachärzte für Integrale Allgemeinmedizin, von denen sie unterrichtet werden, am Barrio Adentro teilnehmen.

Die optimale Betreuung der Patienten war immer die Daseinsberechtigung der Arztpraxen, der Diagnosezentren und der anderen Dienste unter Teilnahme von Kuba. Die Antwort der kubanischen Entwicklungshelfer des Gesundheitswesens auf die vorhergegangene Reflexion ist ausgezeichnet gewesen. Sie behaupten zu Recht, dass der Imperialismus die Schlacht gegen Barrio Adentro nicht gewinnen wird.

Bei der Herstellung und dem Handel von Waffen, die dem Krieg und der Zerstörung dienen, kann heutzutage niemand mit den Vereinigten Staaten mithalten. Zwei Drittel des Welthandels an Waffen befinden sich in ihren Händen; sind das Ergebnis ihrer Rüstungsindustrie. Jetzt verbraucht jene Macht nicht allein 25 Prozent der fossilen Energie mit ihren weniger als 5 Prozent der Weltbevölkerung; sondern verseucht ebenfalls die Atmosphäre, zerstört die Umwelt, bedroht die Welt mit ihren Vernichtungswaffen und ist der größte Waffenhersteller und –händler. Sie ist jedoch nicht in der Lage, knapp 25 Prozent seiner Bevölkerung die Gesundheitsvorsorge abzusichern.

Wir werden keiner Firma, die Medizintechnik herstellen und handeln will, den Weg versperren. Wir nehmen gern jegliche Berichtigung an. Die Menschheit muss sich mit sehr ernsthaften Problemen auseinandersetzen. Hoffentlich geschieht keine Katastrophe mit unserer Gattung und hoffentlich können sich viele von uns mit ruhigem Gewissen sagen, dass sie die größten Anstrengungen unternommen haben, um dies zu verhindern.


Fidel Castro Ruz

10. September 2009
15:11 Uhr

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